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Harmonie der Gegensätze: Urweltliches und High-Tech Dröhnend rattert der Steinwagen in Augenhöhe über eine schlichte Brückenkonstruktion. Ein elektrischer Verstärker in der Mitte der drei Meter langen Stahlschiene steigert das Rollen der Räder und die Eigenschwingung der Schiene zu einem eigentümlichen, akustischen Geräuscherlebnis, macht die unterschiedlichen Klangvarianten hörbar, die bei Verlangsamung und Beschleunigung des Wagens, der Näherung zur Mitte und Entfernung von ihr entstehen. Der Betrachter ist einkalkuliert als Aktionist: Er muß, um die statisch-bildhafte Ebene zu überschreiten, Körperkräfte aufwenden und in die Installation eingreifen. Beim Anschieben spürt er deutlich den Widerstand der Materie, das träge Lasten des Granitblocks, die Gewichtigkeit. Die Erweiterung des in sich ruhenden Bildwerks zu einem mechanisch und linear bewegten, kinetischen und akustischen Objekt ist der Aktionsbereitschaft des Betrachters anheimgestellt, die Geräuscherzeugung steht in direkter Relation zum Schiebeverhalten des Rezipienten. Erstmals in seinem autodidaktischen Schaffen geht es dem Ulmer Bildhauer Felix Burgel, Jahrgang 1964, nicht darum, die Schwere des Granits optisch zu negieren, sondern durch die mühsame, schwerfällige Bewegung auf der Stahlschiene und das polternde Schwingungsgeräusch sinnlich erfahrbar zu machen. Bereits Ende der 1980er Jahre kristallisierte sich im Werk Burgels die Verbindung von Edelstahl und Stein – zunächst Marmor, dann vermehrt grob behauener Granit –, von industriell Hergestelltem und in der Natur Vorgefundenem heraus. Aus dieser Faszination für die Polarität von Natur und Technik, Archaischem und Modernität, Erdgeschichte und Zivilisation entwickelte sich eine erste, um das Thema „Fassungen“ kreisende Werkgruppe. „Meine Edelstahlkörper sind Hülle und Behausung um in ihnen wohnende Steinformen“. Der organische Stein ist durch den blankpolierten Stahl wie ein Schmuckstück gefaßt, das Metall ein verwahrendes Gerüst, aber auch zwanghafter Schraubstock, ein Korsett für den Findling (Kerleskan). Die minimalistisch-geometrische Formensprache geht mit einer der Arte povera verwandten, „nat-urhaften“ Spurensicherung und Urtümlichkeit eine Synthese ein. In einem Werkkomplex um 1995 begegnet der Künstler der dabei zu erwartenden Spannung durch „Schwebezustände“. Granitwürfel werden mit großen Schrauben auf einer Stahlschaukel festgehalten; ein scheinbar schwerelos pendelnder Granitblock ist in ein Metallgerüst gehängt. Schweres, Erdhaftes wird leicht, das Gesetz der Schwerkraft scheint aufgehoben. Auch die seit 1995 entstehenden Endlosschleifen und „Regelkreise“ – in sich geschlossene Rohrspangen, wie Stimmgabeln gebogene Rechteckovale – binden die konträren Materialien von Stein und Stahl, Edelstahl und korrodiertem Baustahl zu einer minimalistisch strengen Einheit zusammen. Zugrunde gelegt ist der Gedanke an die Geschlossenheit von Systemen, die zwar in unterschiedlichen Aggregatzuständen die Beschaffenheit des Materials wechseln können, stets jedoch an einem Punkt umbrechen und letztlich wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurückfinden. Der exakt geschliffene Stein wird jetzt der rationalen Geometrie des Stahlrohres unterworfen. Die dabei entstehenden handwerklichen, mathematischen und technischen Schwierigkeiten empfindet Burgel als Herausforderung. Als formales Gegenbild, wenn auch stilistisch verwandt, gliedert sich eine Gruppe schmaler, die Vertikale betonender Zylinderstelen an. Die aufgerichteten Rohre, mitunter von einem Mittelstück durchbrochen, wirken schlank und fragil, drohen zu kippen. In eine Stele mit korrodierendem Naturstahlkegel hat Burgel das Kippen als Selbstzerstörungsprozeß der Skulptur bewußt einbezogen: In etwa 30 Jahren ist der organische Verfall – der dem Betrachter im Gegensatz zu Arbeiten von Joseph Beuys und Dieter Roth nicht sichtbar wird –, so weit fortgeschritten, daß das Stahlrohr oberhalb der Kegelspitze abknicken wird. Der chemisch-physikalische Prozeß einer solchen „Zeitskulptur“ hinterfragt unser Verlangen nach materieller Dauerhaftigkeit. Im Medium des Stahles, der als unverwüstlich gilt, gelingt Burgel eine zeitgemäße Vanitasallegorie, die umso unheimlicher ist, als ihre Verfallsprozesse dem Auge verborgen bleiben. Der Balanceakt und die Aufhebung der Schwerkraft entpuppen sich als künstlerische Illusion: Im Laufe der Zeit verlangt die Erdanziehung wieder ihr Recht. So bezeugen die Teleskoprohre von Aufbewahrung 1-3, 1997, indem sie Assoziationen an Erdbohrungen wecken und wie fragmentarische Positivformen von Walter de Marias Kasseler Erdkilometer wirken, sorgfältig in Holzkästen aufbewahrt, nunmehr ein konzeptuelles Interesse, in den Erdkern vorzustossen statt seine Anziehungskraft zu leugnen. ã 2001 Beitrag über den Ulmer Bildhauer Felix Burgel (geb. 1964) für NIKE, Special Sculpture, München, Herbst 2001 |